Die Fee

Auf einem Baumstamm sitzend,
 sah ich eine kleine Fee.
 Auf der Waldlichtung hüpfend,
 im weißen Schnee.
 Sternenstaub werfend, 
flog sie zu mir
 und fragte, 
was ich wünsche von ihr.
  
 "Oh, liebe Fee", 

habe ich dann gesagt.
 "Ich habe so viele Stunden
 immer geklagt.
 Ein wenig Glück, 
einen Taler und Brot,
 dein gütiges Wesen nimmt mir die Not."
  
 "Oh, lieber Troll, ich helfe dir gern.
 Doch nichts ist umsonst, 
 mein Land ist so fern!
 Gefahren und Wichte, 
wo das Auge nur blickt.
 Der böse Zauber seine Spione schickt!"
  
 "Oh, gütige Fee, ich bringe dich hin!
 Durch Täler und Wiesen,
 so schnell wie ich bin!
 Kämpfe mit Riesen, 
wir schaffen es hin!"
  
 "Oh, mutiger Troll, 
so soll es geschehen!
 Ein wenig Glück,
 einen Taler und Brot,
 ich helfe dir heute aus deiner Not."

© Kamilla-Maria Kowalski
 

 Die Meerjungfrau 

Ich tauche ein in die Tiefen des Ozeans,
 vorbei an leuchtenden Seeanemonen.
 Den Widerstand der Strömung überwindend,
 der Gischt trotzend.
  
 Die welligen Bewegungen meiner Flosse
 treiben mich immer schneller in
 das Herz  des Meeres,
 das meinen Namen rufend,
 mich in seine Tiefe zieht.
  
 Den Sand berührend,
 spüre ich die grenzenlose Freiheit
 dieses Universums,
 ohne dass die Tiefe des Meeres 
 mir den Atem nimmt.

Ihr Menschen, 
ihr werdet es nie erfahren,
 auch nicht in tausend Jahren,
 wie es ist, diese Freiheit zu spüren.
 Wie es ist, ohne die Zeit zu leben.
 Ihr werdet es nie fühlen,
 ihr werdet es nie erleben.

© Kamilla-Maria Kowalski
 


 


Der Troll 

Im dichten, dunklen Tannenwald,
 wo die Erde, mit Moos bedeckt, 
schwer atmet,
 wo die alten Bäume Vergangenes erzählen,
 dort, in den Tiefen der Erde,
 wollte ein Troll seine Schätze vermehren.
 Tagsüber sammelte er Nüsse und Pilze,
 paar Kräuter und Wurzeln dazu, 
 Tage und Nächte vergingen,
 er kam nimmer zur Ruh.
  
 Dort, in den Tiefen der Erde,
 saß er abends am Feuer,
 dachte an alte Zeiten und seine Abenteuer.
  
 Er schaute auf seine Schätze,
 die er gesammelt hat,
 Berge von Nüssen und Pilzen,
 er fühlte sich so satt.
  
 Der Winter kann nun kommen,
 sagte der kleine Troll.
Sein kleines Gesicht glühte vom Feuer, 
 er fühlte sich so wohl.


© Kamilla-Maria Kowalski

Der Fliegenpilz mit dem bösen Blick 

Er wachte auf,
 es klopfte an seiner Tür.
 Schwerfällig plumpste er aus 
seinem Bett.
 Sein Kreuz tat weh,
 er fühlte sich wie ein Brett.
  
 Noch blind vom Schlaf tapste er Richtung Tür 
 und sah durch den Türspion 
 den "Fliegenpilz mit dem bösen Blick"
 in voller Jogging-Montur.
  
 "Ich weiß, dass du da bist, Troll!
 Mach auf, ich habe keinen Groll!"
  
 Frustriert machte der Troll ihm auf.
 Fassungslos sagend, 
"Wie bist du denn drauf? 
 So früh störst du meinen Schlaf,
 und holst mich aus meinem Gemach?
 Aber dein Fitness Outfit begeistert mich sehr, wo hast du es her?"
  
 Da schaute ihn der 
"Fliegenpilz mit dem bösen Blick" an,
 "Er hing draußen zum Trocknen und zog mich in seinen Bann.
 Dem Waldgeist habe ich diesen 
Jogger geklaut.
 Ich war flink, 
raffiniert und auch nicht zu laut.
 Der Waldgeist hat nichts gemerkt, 
 ich fühle mich sehr geehrt.
 Ich bin der Fliegenpilz mit dem bösen Blick und kenne jeden Trick."
  
 Der Pilz lobte sich weiter in höchsten Tönen, nichtsahnend, 
dass der Waldgeist hinter ihm stand,
 mit einer Rute in seiner Hand.

 © Kamilla-Maria Kowalski

Die Memoiren eines Fliegenpilzes

Man kennt mich schon. 
 Ich bin der Fliegenpilz mit dem 
bösen Blick.
 Ich komme immer nach Hause zurück.
 Die Menschen wollen mich nicht essen,
 sie haben mich schon fast vergessen.
  
 Sie wissen genau, 
 vermutlich bringe ich den Tod,
 bin nun mal rot.
 Meine anderen Kollegen, 
 die werden schnell gegessen.
 Ich möchte mich an deren Erfolg eher nicht messen.
  
 Mein bester Freund ist der Troll.
 Ich finde ihn eigentlich nicht so toll.
 Ich muss nicht jeden mögen,
 müsste sonst immer lügen.
  
 Was ich nicht verstehe,
 die Menschen sehen in mir ein Glückssymbol.
 Ich fühle mich eher wie der Gegenpol.
 Pflanze werde ich auch genannt.
 Ich finde solche Begriffe zu riskant.

© Kamilla-Maria Kowalski

Kampf der Naturgewalten

Ich stehe am Rand einer Klippe und 
 schaue auf das düstere Meer.
 Tosender Wind peitscht mir mein 
 nasses Haar ins Gesicht.
 Aus der Finsternis höre ich schrilles Kreischen.
 Sie rufen meinen Namen.
  
 Die stürmischen Böen haben den Ozean
 in ihre Gewalt genommen.
 Rasend und tobend, 
 erhebt er sich zu einer Gebärde des Satans,
 den Tod bringend,
 alles zerstörend.
  
 Ich schaue diesem Schauspiel zu.
 Die Naturgewalten haben die 
 Kontrolle verloren.
 Ich, der Herrscher über alle Weltmeere,
 erhebe nun meinen Körper.
 Keuchend und mit voller Wucht
 rufe ich den Namen des Satans,
 fordere ihn auf,
 er möge sich dem Kampf stellen.
  
 Im Augenblick des Todes stehe 
 ich ihm gegenüber.
 Nach Atem ringend, 
 mich zur Seite werfend,
 ergreife ich meinen Speer, 
 sehe die Geschöpfe des Meeres,
 wie sie ihn umschlingen,
 in die Tiefe ziehen.
 
© Kamilla-Maria Kowalski 

 Abschiedszeremonie 

Man hört die Götter, wie sie atmen.
 Das ganze Land steht nicht mehr still.
 Fordernd rufen sie meinen Namen.
 Ihre rauen Stimmen,
 getragen vom Wind.
 Sie rufen das Volk.
 Es soll sich versammeln.
 Der Tanz der Götter beginnt.
  
 Sie schmücken mich mit weißen Perlen,
 ich bin für mein neues Leben bereit.
 Die Tage hier auf Erden,
 haben mir viel Glück gebracht.
 Ich tanze im Rausch des Lebens,
 heute meinen letzten Tanz.
 Bunt leuchtet auf meinem Haupt
 der Blumenkranz.
 

© Kamilla-Maria Kowalski 

 Neubeginn 

Wir Götter

 rufen nach dir!
 Heute ist der Tag,
 dein neues Leben beginnt!
 Wir weihen dich ein
 und schmücken dich.
 Legen dir weiße Perlen 
 um deinen Hals,
 flechten einen Kranz aus Lilien
 für dein Haupt.
 Tief unten im Meer,
 dort wartet schon dein Gemach.
 Dein Leben auf Erden ist nun vorbei.
 Wir öffnen dir unsere Tür,
 komm nun herein!
 
 © Kamilla-Maria Kowalski 

Liebeszauber 

Ich erzähle euch eine Geschichte, 
 ein Märchen, das vor langer Zeit begann 
 und nie sein Ende nahm. 
  
 Winde wehten durch das Land, 
 im Regen die nahende Dunkelheit, 
 Schritte auf dem Weg zum Schloss. 
  
 Der lange Umhang von Nässe durchtränkt, 
 der Regen verstummte im Klang
der Hufen, 
 ein weißes Pferd. 
  
 Im Schatten des Abends, 
 auf einem prachtvollen Ross, 
 machten sie sich gemeinsam auf den 
 Weg zum Schloss. 
  
 Ihre Augen, sie liebten. 
 Ihre Herzen, sie schlugen. 
 Ihre Lippen, sie schwiegen. 
  
 Als die Mondsichel am Himmel erschien 
 und der Abend sein Ende nahm, 
 schwiegen sie weiter, 
 bis der Abschied kam. 
  
 Doch ihre Augen, sie liebten. 
 Ihre Herzen, sie schlugen. 
 Ihre Lippen, sie schwiegen. 
 und ihr Schweigen sie trennte. 
  
 Dieses geschah vor vielen Jahren 
 und an jedem Abend, 
 wenn der Regen das Land in seinen
 Zauber hüllt, 
 denkt er an sie und sie an ihn, 
 vom Schmerz erfüllt. 
 

© Kamilla-Maria Kowalski 

Der Schneekönig

Sie stehlen mir meine weißen Tränen,
 die sich im leichten Flug nach der 
Erde sehnen. 
 Doch noch bevor sie den Atem der 
Erde spüren,
sich in nichts auflösen und das Vergängliche fühlen.
  
 Ihr Menschen, 
was erschafft ihr euch?
 Erkennt ihr nicht, 
 wie Mutter Natur nach Atem keucht?
 Wie ihre Brust nach Atem ringt,
 seitdem meine Tränen versiegt sind.
  
 Bald wird es keinen Winter mehr geben.
 Die Spinnen werden ihre Netze ganzjährig weben.
 Ich werde keine Tränen mehr vergießen.
 Im Winter werden Blumen sprießen.
 Doch die Hitze des Sommers wird 
alles erdrücken,
 ohne mich werdet ihr Unheil pflücken.
  
 © Kamilla-Maria Kowalski